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Praktikum bei Herrn Kim

Praktikanten-Tagebuch von:

Daniel Rumpel

Mat.Nr.: 553299814452

BA Politikwissenschaft/BWL

2. Semester

Tag 1:

Nach dem langen Flug landete ich endlich in der Hauptstadt. Es waren nur sehr wenige Menschen im Terminal, ganz anders als in Frankfurt, dem Ort meiner Abreise. Ich war sehr aufgeregt, bald meinen Chef kennen zu lernen, doch leider konnte er mich nicht persönlich abholen. Stattdessen kam ein freundlicher Dolmetscher, dessen Namen ich mir nicht merken konnte – Notiz an mich: Namen besser merken, notfalls im Kopf wiederholen, bis er sitzt – und ich wurde mit einer weißen Limousine zum Arbeitsplatz von Herrn Il gefahren.

Das Arbeitsgebäude von Herrn Il stellte sich als wirklich beeindruckendes Bauwerk heraus und überall hingen Bilder von ihm herum. Der Dolmetscher sagte mir, dass ich auf einer Holzbank Platznehmen solle und auf Herrn Il warten. Dort wartete ich bis zum Abend, was sehr langweilig war, da ich mit meinem iPhone nicht ins Internet konnte. So musste ich die ganze Zeit Musik hören- ein Glück hatte ich die Harry Potter Hörbücher drauf. Gegen 23 Uhr (Gefangener der Askavar oder so) rauschte plötzlich ein gutes Dutzend Menschen an mir vorbei und eine halbe Stunde später sagte mir der Dolmetscher, dass Herr Il in der Gruppe war und er mich morgen empfangen würde. Ich hatte mich auch schon gewundert, schließlich waren die Soldaten vor seinem Büro ja auch schon nach Hause gegangen.

Naja. Das Hotel ist super, es gibt aber nur einen Fernseh-Kanal. Ein bisschen langweilig, weil da nur lachende Menschen zu sehen sind. Egal. Schlafen.

Tag 2:

Peinlich, peinlich. Heute traf ich „Herrn Il“ und musste leider feststellen, dass „Herr Il“ eigentlich Herr Kim heißt. In Nordkorea wird der Nachname dem Vornamen vorangestellt. Dementsprechend war Kim Yong-Il nicht gerade begeistert, als ich ihn mit seinem Vornamen begrüßte… Naja, egal. Ich traf ihn endlich um 5.30 Uhr (Soldaten kamen in mein Zimmer um 4.30 Uhr gestürmt, brüllten irgendwas herum und zogen mich in einen Militär-Jeep. Ein paar Schläge später stellte sich zu unser aller Überraschung heraus, dass es sich um eine „Verwechslung“ handelt und ich wir lachten noch ein bisschen, bevor mir die Soldaten das Blut aus dem Gesicht wischten und mich beim Ministerpräsidenten-Palast absetzten).

Herr Kim schrie dann ein wenig herum, dass er von einem Praktikanten gar nichts wüsste und warum er immer als letzter etwas erfahre, wenn irgendwas Neues in Korea passiere. Nachdem er den 1. Staatssekretär erschossen hatte, besserte sich seine Laune allerdings schlagartig. Freudig erregt, wie ein kleines Kind, zog er mich an der Hand durch seinen Palast des Volkes und zeigte mir die unzähligen Bild von ihm selbst. Nach 2 Stunden hatte er dann aber keine Lust mehr und er bekam wieder schlechte Laune. Er zeigte auf einen großen Stapel Dokumente und wies mich an, sie alle Abzustempeln, er würde sich derweil im Nebenraum besaufen und „den Raketenstart“ auf HD-DVD anschauen. Als ich ihn fragte, um was es sich bei diesem riesigen Stapel Zettel handele, sagte er nur lapidar etwas von „death penalty“ und zog singend ins Nebenzimmer.

Am Anfang hatte ich starke Probleme die Unterschrift von Herrn Kim nachzumalen, aber mit der Zeit bekam ich das ganz gut hin, obwohl der ohrenbetäubende Lärm der immer und immer wieder startenden Rakete gepaart mit koreanischen Saufliedern mich stark von der Arbeit ablenkten. Gegen 23 Uhr durfte ich gehen. Oder besser: Ich schlich mich einfach raus. Herr Kim war auf seinem Sofa eingeschlafen, die Whiskey Flasche noch in der Hand, während die Rakete unaufhörlich dem Sieg entgegen startete. Im Hotel war alles ruhig. Vorsichtshalber stellte ich allerdings eine Flasche auf die Türklinke. Man weiß ja nie.

Tag 3:

Heute hatte ich eine kurze Diskussion mit Herrn Kim nachdem ich von den Prügelsoldaten, die mich wie auch schon am Vortage zur Abreit fuhren, erfahren hatte, dass Herr Kims Vater bereits Ministerpräsidenten von Nord-Korea gewesen war. Ich warf Herrn Kim vor, dass so was jawohl gar nicht demokratisch und so sei und dass er sich schämen solle. Während Herr Kim mir Ohrfeigen gab, weil ich so ein „dummer langnasiger Junge“ sei, klärte er mich darüber auf, dass er von seinem Volk gewählt worden wäre, wie jeder andere Ministerpräsident oder Präsident auch. Und wenn ich das schon in Frage stellen würde, wie wäre es dann mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Da wäre doch auch ein Sohn dem Vater als Präsident nachgefolgt und jetzt womöglich sogar noch die Frau eines Präsidenten. Und da wage ich es, ihn als Monarchen zu diffamieren. Hui, war der sauer. Mein Gesicht ist inzwischen ziemlich abgehärtet, und ich fiel mir auch nicht mehr so schwer, die Tränen zurück zu halten. Schlagartig änderte sich allerdings die Laune des Ministerpräsidenten, als er auf seinem riesigen LCD-Fernseher sah, dass in Süd-Korea etwas aus Holz brannte. Er fing mal wieder an sich zu betrinken und begnadigte noch schnell 13 Drogendealer. Danach war es 20 Uhr und ich hatte frei, konnte allerdings nicht viel machen, da der Rest des Landes Hausarrest hatte…

Tag 14:

Langsam kommen Herr Kim und ich besser zurecht. Er schlägt mich weniger und auch so sehe ich ihn immer häufiger lächeln, wenn ich einen niederen Beamten anschreie. Trotzdem war der Tag ziemlich anstrengend. Wir haben uns nämlich 14 Stunden lang eine Militärparade angesehen. Ständig marschierten Gruppen von Soldatinnen und Soldaten an uns vorbei, gefolgt von LKWs mit Raketen drauf.


Nach der ersten halben Stunde viel mir allerdings auf, dass scheinbar die gleiche Rakete wie schon zuvor um die Ecke kam und ich wollte das auch Herrn Kim sagen, aber die kleinen Generäle schauten mich auf einmal ganz fies an und dann blieb ich lieber still und es hat sich ja auch gelohnt: Ich durfte zusammen mit allen noch auf ein Foto.

Und weil ich so artig war, versprach mir der Ministerpräsidenten auch noch, dass er mich seiner Familie vorstellen wolle. Das wird sicher fein.


Tag 89:

Leider komme ich erst jetzt dazu, wieder etwas zu schreiben. Yong-Il und ich hatten in der letzten Zeit ziemlich viel im Land zu tun. Irgend ein Spaßvogel bei der Welt-Hunger-Hilfe hatte die gesamte Lieferung für unsere geliebte Volksrepublik durch Red Bull und Snickers ersetzt. Als dann die Ausgangssperre einsetzen sollten, drehte die arme, Koffein und Zucker nicht gewöhnte Zivilbevölkerung völlig durch und versuchte unseren über alles geliebten Führer Kim Yong-Il seines Amtes zu entheben. Leider schafften sie es, sich irgendwie zu bewaffnen und so dauerte die Befriedung ziemlich lange; ich konnte jedoch einiges von Yong-Il lernen. Er hat mich heute sogar seiner Familie vorgestellt. Es war wunderbar.


Danach haben die Jungs und ich noch eine Schneeballschlacht gemacht und dann musste ich ins Bett.


Tag 90:

Leider endet mein Praktikum schon morgen. Ich bin ein wenig traurig. Aber egal. Ich muss nach vorne schauen. Schließlich mache ich ja bald mein nächstes Praktikum. Ich bin gespannt, wie viel ich von dem Gelernten bei Herrn Ackermann umsetzten kann…

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