„Der Shitstorm gehört zur Vermarktungsstrategie“

Horst Paluschke hat gerade ein Kunstprojekt fertiggestellt, in dem seine fiktive Person Christian Ulmen durch den deutschen Feuilleton zieht, um eine sexistische Sendung auf Kosten von Frauen und Feministinnen als kritisches Kunstwerk zu vermarkten. Dieses Vorhaben hat keine Kritik hervorgerufen. Ein Gespräch über Satire, intellektuelle Überladung und Businesspläne.

Die Geschichte: Christian Ulmen, sozialisiert durch Moderation von deutschem Musikfernsehen und eigenen Comedy-Sendungen, hat sich einige fiktive Personen ausgedacht, die sich wiederum eigene Fernsehshows ausdenken. Zu diesen Gehört auch Uwe Wöllner und seine sexistische Sendung „Who wants to fuck my Girlfried“, die er erfolgreich auf dem Sender Tele 5 platziert. Noch vor der ersten Ausstrahlung zieht Ulmen schließlich durch die Kulturteile der bürgerlichen Qualitätspresse, um die Sendung als Sexismuskritik und Demaskierung gesellschaftlicher Zustände zu veredeln. Während Horst Paluschke den Comedian Ulmen nur spielt, sind die Journalisten reale Personen.

EIW: Herr Paluschke, von Ihrem Kunstprojekt ist gar nichts bekannt, entsprechend gibt es auch keine Kritik. Niemand wirft Ihnen Nestbeschmutzung vor oder droht Ihnen mit dem Tode. Dabei hat Ihre Figur Christian Ulmen ja einen wahren Shitstorm mit seiner Wöllner-Show produziert.

Horst Paluschke: Das Konzept eines Unternehmens wie Ulmen-TV ist im Kopf der Figur Christian Ulmen entstanden. Das Unternehmen funktioniert nur mit Christian. Seine komplette Sozialisation fand ausschließlich als Produzent statt. Neben Auftritten in Filmen und Webclips im Wesentlichen als Produzent von Fernsehen.

Ulmen geriert sich im Feuilleton als Kritiker, gleichzeitig tritt er jedoch als Geschäftsführer eines Medienunternehmens auf. Ist das nicht verlogen?

Nein, Christian Ulmen ist kein Heuchler. Man muss ihn sich als Ökonomie-Kaspar-Hauser vorstellen. Statt im Dunkeln ist er ausschließlich innerhalb der gegebenen wirtschaftlichen Zusammenhänge aufgewachsen. Und so verhält er sich auch. Er glaubt wirklich, dass seine kritischen Äußerungen über die Sendung seiner Fantasiefigur Uwe Wöllner innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen die Gesellschaft verändern können. Er verfügt über Reflexionsvermögen. Es hindert ihn jedoch nicht daran, die feministische Kritik zu vereinnahmen und mittels einer anderen Kunstfigur als kostenloses Marketing zu feiern. Er fühlt sich lieber schlecht, wenn er für die Show von Uwe Frauen als Prostituierte verkleidet auf die Straße schickt und mit ansieht, dass Männer darauf anspringen.

Warum ist die Inszenierung von Ulmens Sexismuskritik wichtiger als die aus feministischen Gesellschaftskreisen? Wo ist der Unterschied?

Zuerst einmal ist Christian Ulmen viel lustiger als die feministische Kritik. Außerdem hat er eine viel größere Reichweite durch seinen persönlichen Bekanntheitsgrad. Christian kann nicht nur eine sexistische Sendung Uwes als kritische Überzeichnung produzieren, sondern auch noch darüber in den großen Zeitungen philosophieren. Dass er damit seine eigenen Mitstreitenden als Steigbügelhalter für den Erfolg der Sendung seiner fiktiven Figur Uwe Wöllner nutzt, um größere Aufmerksamkeit für Ulmen-TV zu erzeugen, kommt ihm dabei nicht in den Sinn. Er bestreitet sogar, dass es ihm um die Quote ginge. Dabei ist er wie jeder Künstler an den Verkauf seiner Werke gebunden. Die „schmutzige“ Monetarisierung des Protests an der Sendung Uwes überlässt er einer anderen fiktiven Figur. Damit ist Christian fein raus – die berechtigte feministische Kritik muss seiner Meinung nach geopfert werden: Nicht jedoch der wirklichen Steigerung des Marktwerts der Sendung von Ulmen-TV, sondern der Gesamtwirksamkeit der Ulmenschen Kritik. Sie ist die große, sie überstahlt den kleinen Shitstorm; verwandelt ihn erst in einen Goldstorm. Das Ergebnis sind Interviews mit den Medien.

Ich werfe Ihnen nun vor wirtschaftliche Interessen zu haben? Trifft Sie das?

Mich trifft das schon. Schließlich wollte ich aufzeigen, dass Kritik in unseren wirtschaftlichen Verhältnissen nicht vollständig vom Sachzwang befreit ist. Deshalb nutzt Christian auch den Shitstorm als kostenloses Marketing und verkündet zugleich: Mein Anliegen ist hoch moralisch, es geht mir nicht um die Quote. Auf diese Widersprüche wollte ich durch meine Kunstfigur Christian Ulmen hinweisen.

Ein Ziel Christians ist ja erreicht worden: Die Quote der Sendung von Christians Kunstfigur Uwe hat sich bereits mit der dritten Episode halbiert.

Diese Entwicklung hat mich zutiefst getroffen. Ich dachte nicht, dass ein inhaltsleeres Format wie „wwtfmg“ überhaupt mehr als den Piloten ausstrahlen darf. Naja.

Herr Paluschke, wir danken für das Gespräch.


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